Monte Rosa 2003: 0.-2. Tag: Anreise, Gabiet Hütte, Punta Gabiet

0. Tag, Samstag, 19.07. – Anreise per Schlafwagen

Angereist bin ich von Frankfurt am Main über Mailand, Chivasso, Pont Saint Martin nach Gressoney-Stafal mit Bahn und Bus. Von Frankfurt nach Mailand ging’s direkt im Schlafwagen: 22:50 los, 7:30 morgens in Mailand. Anfänglich hatte ich mein Zwei-Bett-Abteil für mich alleine, aber in Mannheim stieg dann doch noch ein älterer Herr zu. Morgens beim Frühstück fragte ich ihn, der offenbar öfter die Strecke fuhr wie sich aus Gesprächen mit dem Schlafwagenbetreuer ergab, ob er mir sagen könnte, wo ich im Mailänder Bahnhof Fahrkarten kaufen könne. Denn die Deutsche Bahn hatte mir keine Fahrkarte bis nach Pont Saint Martin durchlösen können. Es stellte sich heraus, daß wir in Mailand in den gleichen Zug umsteigen wollten. So bot er mir an, mich zu begleiten und dafür zu sorgen, im Zug eine Fahrkarte zu bekommen. Er war Italiener, sprach aber ein brauchbares Deutsch. Und so haben wir’s dann auch gemacht. Unterwegs zeigte er mir Reis-Felder. Mir war gar nicht bewußt, daß in Europa Reis angebaut wird (auch wenn so einigen meiner Freunde und Kollegen das offenbar klar war…). Aber die weiten saftiggrünen Flächen zeigten doch wirklich Wasser, wenn man etwas tiefer hineinblickte.

In Chivasso bin ich umgestiegen in einen anderen Zug Richtung Aosta. Der hielt erstmal für 45 Minuten überhaupt nicht und ich bekam schon Panik, daß er in dem kleinen Kaff Pont Saint Martin auch nicht halten würde. Aber er tat’s, pünktlich auf die Minute. (Ach, hatte ich erwähnt, daß alle italienischen Züge pünktlich waren, nur der deutsche Nachtzug Verspätung hatte…?)

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APS1/1. Frankfurt am Main, Hauptbahnhof, kurz vor Abfahrt meines Nachtzuges nach Milano.

APS1/2. Milano Centrale habe ich irgendwie verpaßt zu fotografieren, weil ich mit dem netten Herrn gequatscht habe. Hier also eine Aufnahme von Weltbahnhof Chivasso, wo ich umstieg.

APS1/3. Pont Saint Martin, Bahnhofsvorplatz. Ein idyllisches Örtchen (siehe auch Tag 12), aber Sonntag morgens um 10 Uhr ist da keine Menschenseele auf.

Jetzt begann’s spannend zu werden: Ich sollte mit dem Bus weiter. Ich hatte schon gemerkt, daß ich mit Englisch nicht weit kam, aber was anderes blieb mir gar nicht übrig. Dachte ich… Die italienischen Busfahrpläne habe ich nicht gleich auf Anhieb verstanden. Und da gerade ein Bus vorbeikam (der offensichtlich woanders hinfuhr) fragte ich dessen Fahrer-auf englisch. Konnte der gar nicht. Und fragte dann zurück: “Sprechen Sie Deutsch?” Nun, das war natürlich einfacher… Seins war nicht doll, aber es reichte, um mir zu erklären, daß der nächste Bus nach Gressoney in etwa eine halben Stunde ging.

Und so kam er auch. Ich kratze ein paar gut klingende Brocken Italienisch zusammen und habe es tatsächlich geschafft ohne Verständigungsprobleme zu grüßen, eine Karte nach Stafal zu ordern und mich zu bedanken. Den Preis konnte man immerhin von einem hochmodernen elektronischen Terminal ablesen… 😉

Die Fahrt durchs Gressoney-Tal war wunderschön! Überall Berge, je tiefer wir hineinkamen, desto höher. Alter, enge Dörfer, durch die sich die Straße in teils abenteurlichen Serpentinen hochschlängelte. Und der Bus war ein ausgewachsener handelsüblicher Reisebus, nicht so ein kleiner 12-Sitzer wie man ihn vielleicht in abgelegenen italienischen Tälern erwarten könnte. Anfänglich leer, füllte er sich aber zusehends. Undgefähr in der Mitte der Tour hatte ich dann verstanden, warum er so groß war: Da war er voll!

Schon an der nächsten Station stiegen einige offenbar geschaffte ältere Damen zu. Eine setzte sich mir gegenüber. Nach einiger Zeit sprach sie mich auf italienisch an, was ich nur mit einer englischen Entschuldigung beantworten konnte. Daraufhin machte sie halt auf Englisch weiter! Es stellte sich heraus, daß sie eine redseelige Uruguayerin war, die seit mehreren Jahren kein Englisch mehr gesprochen hatte, ihren üblichen Redefluß aber jetzt nothedrungen durch diesen Kanal quetschen mußte. Und das auch tat… Ich habe schließlich sogar ihr vielen Katzen in ihrer Wohnung auf Fotos bewundern müssen. Was tut eine Uruguayerin in einem entlegenen italienischen Tal? Urlaub. Klar. Und zwar seit zwanzig Jahren in Folge…

Zwischendrin sagte ein nebenan sitzender, ziemlich italienisch aussehnder Junge zu seinem ebenfalls sehr italienisch aussenden Vater: “They are speaking English!” Jetzt war ich etwas verblüfft, hatte mich Englisch doch bislang nicht weitergebracht. Also sprach ich ihn direkt an. Er war, trotz seines geringen Alters, auf einer Art Business School, die offenbar Englisch lehrt. Man merkte, daß er glücklich war, das mal im realen Leben auszuprobieren. Sein Vater beteiligte sich in gutem, akzentfreien Englisch ein wenig, überließ aber zumeist seinem Sohn die Freude. Leider stiegen sie drei Stationen später aus und ich mußte mich wieder der Uruguayerin beugen. Die dann aber plötzlich an einer Station ausstieg und beschloß, den Rest zu trampen. Keine Ahnung, ob sie das wirklich so meinte, wie sie es sagte.

Der Bus war übrigens auch pünktlich losgefahren, kam aber mit deutlicher Verspätung an….was aber immer noch drei Stunden vor dem eigentlichen Termin bedeutete. Also lief ich ein wenig in der Gegend rum. Auf der Fahrt waren wir durch herrliche Dörfchen gekommen, aber hier ganz am Ende an der Seilbahnstation waren nur wenige Häuser, kein offensichtliches Cafe oder so. Ich entdeckte ein kleines Sportausstattungsgeschäft, wo ich mich gleich mit Postkarten eindeckte. Wer weiß, ob es die auf den Hütten gibt! (Es gibt sie übrigens zuhauf…) Und auch eine italienische Alpenkarte der Gegend konnte man dort erwerben. Mein Englisch half gar nicht. In den Dörfern hatte ich aber einen Haufen dreisprachiger Schilder gesehen: Italienisch, Französisch, und—Deutsch! Später erfuhr ich, daß die Gegend, zum Wallis gehörend, mal zu den deutschsprachigen Gebieten zählte. Einige Ältere können immer noch Deutsch, deutsche Schulen gibt’s auch noch. Aber es läßt wohl mehr und mehr nach. Aber mit zeigen und Preise von der Kasse lesen ging’s auch.

Sehr enttäuscht war ich dann von der jungen Bedienung hinter der Theke eines irgendwie nach Baustelle aussehenden Bistros, wo ich eine Cola haben wollte, was nun wirklich kein schwieriges Wort ist und im Italienischen wohl genauso heißen wird, zweiter Versuch war “Coke”, aber die Frau kapierte es nicht. Also wieder zeigen, aber nicht mal das bekam sie wirklich mit. Bei dem Baguette war’s noch schlimmer, aber schließlich hatte sie dann doch mal das richtige in der Hand. Und dann fand sie offenbar keinen Weg, mir den Preis mitzuteilen und gab entnervt an eine Kollegin ab. Die lächelte mich an, ging mit dem Zeug zur modernen vollelektronischen Kasse und ich war dann intellektuell durchaus wieder in der Lage, den Preis vom Display abzulesen. Ich hatte die Italiener irgendwie flexibler, offener, gewillter in Erinnerung. Aber das war in der Toscana und ist auch schon 15 Jahre her.

1. Tag, Sonntag, 20.07. – Treffen, Gabiet-Hütte (2357m), Gabiet-See

Am Anfang eines jeden Tages soll ein Kartenausschnitt wie der folgende helfen, einzuordnen, wo wir waren. Es gibt auch eine vollständigen Karten-Scan des Monte Rosa-Gebiets. Achtung: Die große Karte ist mit 2,5MB wirklich groß! Es handelt sich dabei um einen Ausschnittsscan der Kompaß-Karte 88 “Monte Rosa” (1:50000). Und reicht völlig als Überblick. Die italienische 1:25000-Karte, die ich vor Ort gekauft und benutzt habe, ist leider von so dürftiger Papierqualität, das man nach zwei Wochen kaum noch was erkennen kann.

Karte Gabiet
Karte Gabiet

Am ersten Tag traf sich die Gruppe an der Seilbahn in Gressoney-Stafal. Die sechs Teilnehmer, Albin und Burgi, Norbert, Klaus, Vera und natürlich auch ich waren mehr oder wenig pünktlich da. Einige hatten–wie ich auch–schon einige Stunden vor Ort verbracht. Warten mußten wir nur auf den Bergführer. Als Matthias endlich auftauchte entschuldigte er sich vielmals. Sein Kupplungsseil sei kurz nach Überfahren der schweizer Grenze gerissen und es sei nicht so einfach gewesen, am Sonntag einen schweizer KFZ-Mechaniker aufzutreiben, der rauskommt und das Seil wechselt. War wohl auch nicht billig. Als wir mit zu seinem Auto kamen um die Leih-Gletscherausrüstung in Empfang zu nehmen, wurde bei Anblick des Autos die Entschuldigung offensichtlich glaubwürdig. Wir hätten am Ende mal für ein neues zusammenlegen sollen. Aber dazu später mehr…viel später.

Aufgrund der ein wenig fortgeschrittenen Zeit beschlossen wir, nicht zu Fuß zur Gabiet-Hütte (2357m) zu laufen, sondern zusammen mit unserem Gepäck die Seilbahn hoch zu nehmen. Das Gepäck hätte sowieso fahren sollen, und das alleine wäre genauso teuer gekommen. Nachdem wir die gemütliche und gut ausgestattete Hütte bezogen haben (meine erste Hütte, aber so viel anders als Jugendherberge ist es auch wieder nicht, nur alles italienisch…) haben die meiten noch einen Spaziergang um den See, den Lago Gabiet, unternommen. Es handelt sich dabei um einen Stausee, der auf der Karte viel mehr Wasser hat als in der Realität. Es handelt sich also nicht um einen Fehler, wenn die eingezeichneten Routen in der Karte links den See am oberen Ende schneiden.

Abends dann das erste Mal die typische Hüttenkost, die uns in verschiedenen Qualitäts- und Quantitätsstufen die nächsten zwei Wochen begleiten sollte: Minnestrone, Pasta, und irgendwas meist fleischhaltiges als Hauptspeise. Danach auch noch eine Kleinigkeit als Nachtisch. Die Gabiet-Hütte setzt dabei hohe Vergleichsmaßstäbe: Es gibt alle vier Gänge! Später durften wir auswählen.

Abends drehten sich die Gespräche dann häufig um deutsche und österreichische Geschichte, durchaus auch mit einem Hang zu den Legenden. Und natürlich um Life, the Universe, and everything…

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APS1/4. Hier haben wir einen Blick die Seilbahn entlang in Richtung Gabiet, wo unsere Hütte stehen soll.

APS1/5. Am Treffpunkt Eingang Seilbahn warten Norbert, Burgi, Alib, Vera und Klaus (v.l.)

APS1/6. Unsere Gabiet-Hütte von hinten mit Blick über das Gabiet-Gebiet.

2. Tag, Montag, 21.07. – Punta Gabiet (2581m), Gabiet-Hütte (2357m), Hardware

Den zweiten Tag verbrachten wir in unmittelbarer Umgebung der Gabiet-Hütte. Vormittags haben wir eben zum Warmwerden den Hausberg, den Punta Gabiet (in der Karte mit “Seehore” bezeichnet) rasiert. Um den See herum zurück zur Hütte.

Am Nachmittag haben wir uns mit der (zumeist geliehenen) Hardware beschäftigt: Steigeisen anpassen an die eigenen Schuhe, Umgang mit dem Sitzgurt, Benutzung der Prusikschlinge, Spaltenbergetechniken. Als Höhepunkt rettete sich Matthias alleine am Seil hoch Richtung Dachfirst. (Sollte zeigen, wie sich der Bergführer alleine aus einer Spalte retten kann, wenn die anderen Gruppenmitglieder nicht in der Lage sind, ihn zu bergen.)

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APS1/17. Der Punta Gabiet von ein wenig oberhalb der Hütte aus (Aufnahme vom nächsten Tag, da war’s weniger wolkig).

APS1/8. Aufstieg, anfangs gut gehbar über Wiesen. (von oben: Matthias, Klaus, Alib, Burgi)

APS1/9. Kurz vorm Gipfel muß man dann doch mal die Hände zuhilfe nehmen. Damals war ich etwas verunsichert, war noch nie in so felsigem Gebiet gewesen. Und das wer erst der erste Mini-Berg. Heute würde ich vermutlich eine volle Kaffeetasse mit hochnehmen können ohne etwas zu verschütten…

APS1/10. Der erste Gipfel! Das muß mit einer Jause gefeiert werden. (Was schlicht ein süddeutsches und österreichisches Wort ist für das ist, was andere mit Brotzeit bezeichnen.) (v.l.: Vera, Albin, Burgi, verdeckt: Matthias, Norbert, Klaus)

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KB1/1. Oben war’s neblig (oder wolkig, wie man will), die Aussicht war also leider etwas mäßig. Hier der Versuch eines Blicks auf unsere Hütte aus gut 200m Höhe.

APS1/11. Nun gut, überarbeitet haben wir uns heute noch nicht, aber es ist schließlich Urlaub, nicht wahr? Und vor der Hütte kann man herrlich in Liegestühlen in der Sonne schmoren. Fast wie am Strand, nur mit schönerem Panorama! (von hinten: Klaus, Albin, Burgi, Norbert)

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APS1/12. Anpassen der Steigeisen. (v.l.: Norbert, Matthias, Vera, Albin)

APS1/13. Anlegen des Sitzgurtes, in das später auf dem Gletscher das Seil per Karabiner eingepickt wird. (Norbert, Matthias, Burgi, Albin und die Füße von Klaus 😉

APS1/14. Und so rettet sich ein Bergführer aus einer Gletscherspalte, dessen Gruppen ihn nicht zu bergen vermag, z.B. weil sie viel faszinierter davon ist, einfach zuzugucken… 😉

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APS1/15. Wenn denn der Bergführer ‘draußen’ ist und seinen Können anwenden kann, dann gibt’s Schweizer Flaschenzüge, um Vera aus der imaginären Spalte zu ziehen.

APS1/16. Bedienung des Schweizer Flaschenzugs, der mit Prusikschlingen gesichert ist. (v.l.: Matthias, Klaus, Vera, Albin)

Originally Created: 08/14/2003 11:29:46 PM
Last Edited: 08/24/2003 06:28:39 PM

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